Scientology und östliche religiöse Traditionen

http://www.religio.de/dialog/197/197s16.html

Scientology und östliche religiöse Traditionen

von Stephen A. Kent

Übersetzung: Guntram Thilo, Berlin

Die erheblichen wirtschaftlichen und politischen Betätigungen der Scientology- Organisation werden in der europäischen Öffentlichkeit mit großer Skepsis beobachtet. Auf parlamentarische Untersuchungen und Kritik antwortet die SO mit einer breitangelegten, nicht nur publizistischen Kampagne (u.a.: “Deutschland säubern!”), bei der die SO in Medien, Wissenschaft und US-amerikanischer Politik unterstützende Stimmen organisiert. Der BERLINER DIALOG wird diese Kampagne und ihre aktiven und bösartigen ebenso wie ihre unfreiwilligen und naiven Akteure auch weiter kommentierend begleiten. Unsere besondere Aufgabe aber liegt in der Vermittlung von “Informationen und Standpunkten zur religiösen Begegnung”. Hierzu gehört die Auseinandersetzung mit dem Anspruch der totalitären SO, eine “Religion” zu sein. Vermutlich veranlaßten Akzeptanzschwierigkeiten und Vorbehalte gegen die paramedizinischen Heilungsaktivitäten Hubbards und seiner Organisation von Anfang an die Versuche, Scientology als eine Religion darzustellen.

In einigen, von der SO offenbar selbst in Auftrag gegebenen und derzeit verbreiteten Gutachten wird nun wieder einmal die Behauptung aufgestellt, Scientology sei eine “bona fide-Religion”, ja sogar eine Art “technologisierter Buddhismus” (F. Flinn). Die SO selbst und schon der SO-Gründer L. Ron Hubbard behaupteten, mit Hinduismus, Theravada-Buddhismus und Taoismus verwandt zu sein. Der hier in zwei Teilen folgende Beitrag ist die in enger Abstimmung mit dem Autoren, dem kanadischen Religionssoziologen Stephen Kent, erstellte deutsche Fassung seines zuerst in englischer Sprache im Journal of Contemporary Religion, Vol. 11, No 1, 1996 veröffentlichten Aufsatzes “Scientology’s Relationship with Eastern Religious Traditions”. Wir danken Redaktion und Verlag des “Journal of Contemporary Religion” für die Übersetzungs- und Abdruckerlaubnis dieser gründlichen Untersuchung der Versuche Hubbards und der Scientology-Organisation, Scientology mit ostasiatischen Religionen in Verbindung zu bringen.

Kent zeigt zunächst, daß Hubbard und seine Adepten selbst nur oberflächliche Kenntnis von östlichen Religionen haben. Die Behauptung eines östlichen Einschlags, einer Verwandschaft insbesondere mit dem Buddhismus scheint mit ebensolcher oberflächlicher Kenntnis der Öffentlichkeit über die Religionen des Ostens zu rechnen. In einem zweiten Teil untersucht Kent, warum Hubbard Behauptungen über östliche Religionen und die Verbindung von Scientology mit ihnen aufstellt, die nicht zutreffen. Kent legt dar, daß Hubbard dies tat, weil er – in prekären Augenblicken in der Geschichte der Scientology – versuchte, die scientologischen “Heilungsaktivitäten” mit religiösen Ansprüchen zu decken. Das ausführliche Literaturverzeichnis mit den Nachweisen zu beiden Teilen findet sich am Ende des zweiten Teils. – Red.

Einleitung

In diesem ersten Teil sollen Hubbards ungenaue, aber häufige Anspielungen auf Ähnlichkeiten zwischen Scientology und östlichen Religionen einmal ernst genommen und untersucht werden. Hubbards eigene Schriften werden in Verbindung mit Standardübersetzungen östlicher Schlüsseltexte sorgfältig untersucht. Daraus ergibt sich, daß wahrscheinlich weder Dianetik noch Scientology östlichen Einflüssen unterlag. Auch sind Ähnlichkeiten zwischen Dianetik und Scientology einerseits und größeren östlichen Traditionen andererseits höchstens oberflächlich. Religionswissenschaftler interessieren sich immer für Fragen der Übertragung von Ideen von einem Glauben zum anderen. Übertragung kann Ähnlichkeiten in den grundlegenden Glaubenssätzen unterschiedlicher Glaubenssysteme erklären, und oft erkennen Forscher daran kulturelle Kontakte zwischen geographisch weit voneinander entfernten Völkern. Viel Aufmerksamkeit gilt dabei den Schlüsselfiguren der Traditionen, weil sie die Lehrsätze und Glaubensinhalte formulieren, die die Inspirationsquellen der Nachfolger werden.

Quellenlage

Das Bemühen, Quellen der Beeinflussung festzustellen, wird bei der Untersuchung klassischer Religionen und ihrer Gründer oft dadurch erschwert, daß über die Entfernung von Zeit, Raum und Kulturen vieles verlorengegangen ist. Im Gegensatz dazu leiden Untersuchungen moderner oder “neuer” Religionen manchmal geradezu unter der Menge an Informationen, zu der zeitgenössische Religionsstifter Zugang haben, die also ihre Lehren beeinflußt haben könnten. Die neuen Medien sowie die zunehmende Möglichkeit des Reisens verschaffen Religionsgründern heute umfassende Möglichkeiten, Gedanken aus allen möglichen Quellen zusammenzutragen, so daß die Aufgabe, die genauen Ursprünge bestimmter Vorstellungen herauszufinden, außerordentlich schwierig werden kann. Auf der Suche nach den “religiösen Quellen” Der Gründer von Dianetik und Scientology, L. Ron Hubbard (1911 – 1986), stellt die Forscher, die feststellen wollen, aus welchen Quellen er bei der Erfindung der Dianetik (1950) und der “Scientology Church” (ab 1953) schöpfte, vor zahlreiche Probleme. Die meisten Autoren stimmen darin überein, daß Hubbard seine Vorstellungen aus Science Fiction bezog, aus Okkultismus, Physik und Ingenieurwissenschaften, aus Psychoanalyse und Philosophie sowie von einer Reihe größerer und kleinerer Denker (s. z. B. Whitehead, 1987: 54).

Kein ernsthafter Forscher würde hingegen jemals in Betracht ziehen, daß Hubbards Denken vom Christentum1. beeinflußt sein könnte, da er ja seine abfälligen Ansichten über diesen Glauben schon 1954 veröffentlichte (Hubbard, 1954a). Die meisten Forscher folgen aber wahrscheinlich Hubbards eigenen Aussagen, daß er von diversen Aspekten östlichen Denkens angeregt und beeinflußt sei. Von all den möglichen Einflüssen auf Hubbard gehören östliche Religionen (im weitesten Sinne) zu den wenigen, die Hubbard selbst des öfteren erwähnt. Er hat sich nie klar über Art oder Ausmaß des behaupteten Einflusses geäußert, sondern die angeblichen Verbindungen mit solch schwammigen Ausdrücken wie “Vorfahre”, “Geschwisterkind” oder “spirituelle Bande” beschrieben. Nichtsdestoweniger nehmen Scientologen seine Behauptung ernst, daß ihr Glaube Gemeinsamkeiten mit der Weisheit des Ostens habe, selbst wenn auch nur deshalb, weil sie glauben, Hubbard habe diese neu entdeckt. Hinduismus Hubbard wandte, wenn er über Scientology in Verbindung mit diversen östlichen Glaubensrichtungen sprach, verschiedene Taktiken an.

Zwar stellte er einerseits großartige Behauptungen auf, nämlich daß Scientology Grundvorstellungen des Hinduismus, Buddhismus und Taoismus enthalte, wenn nicht sogar übertreffe. Andererseits stellte er niemals unter Beweis, daß er mehr als oberflächliches Wissen von einem der von ihm verwendeten östlichen Begriffe oder der von ihm gelieferten Übersetzungen hatte. Und schließlich verwandte er auch weder Zeit noch Mühe darauf, seine großartigen synkretistischen Aussagen zu belegen. Zum Beispiel traf Hubbard im Juli 1954 die beeindruckende Feststellung: “Wir finden den frühesten bekannten Vorfahren der Scientology in den Veden” (Hubbard, 1969b: 10)2. Jedoch lieferte er bezeichnenderweise so gut wie keinen Beweis für diese Behauptung. Tatsächlich war seine Kenntnis der Veden bestenfalls flüchtig, und es scheint, daß er lediglich Scientology-Vorstellungen zu legitimieren versuchte, als er behauptete, das Wort Veden bedeute “Lookingness (sic) oder Knowingness , d. h. -selbstbestimmtes Wissen’” (Hubbard, 1969b: 10; s. Hubbard, 1975: 223, wo er eine Definition vom 20. Mai 1954 zitiert)3. Tatsächlich bedeutet das Wort “Veda” “Wissen, wahres oder geheiligtes Wissen oder Kunde, Kenntnis des Rituals …” (Monier- Williams, 1899: 1015).

Ähnlich verhält es sich mit Hubbards Behauptung, die Veden bestünden aus “der dhyantischen und buddhistischen schriftlichen Überlieferung von zehntausend Jahren” (Hubbard, 1969b: 12), hier überschätzt er gewaltig das Alter der Veden, deren älteste Teile auf etwa 1500 vor Christus zurückgehen mögen (Basham, 1954: 232; vgl. Hume, 1931: VIII). Zudem vermischt er unangemessenerweise buddhistische mit hinduistischen Texten. Wenn Hubbard überdies mit “dhyantisch” die indische Tradition der durch Yoga entwickelten “Meditation” (dhyana) meint, dann ist der klassische Text in diesem Bereich, die Yoga Sutras des Patanjali, nicht Bestandteil der Veden, obgleich Meditationsanweisungen in einigen der späteren Hymnen erscheinen (s. Bose, 1966: 55 – 83, über jnana-Yoga, den Pfad des Wissens). Als die “Church of Scientology World Wide” unter Hubbards Aufsicht die Behauptung aufstellte, daß die vedischen Hymnen “unser ältestes Erbe in Scientology” seien (Church of Scientology World Wide, 1970: 8), gab sie nur eine vedische Hymne wieder, die sie auch nicht als das verhältnismäßig späte Gedicht Rig Veda X.129 (s. Bose, 1966: 302 – 305) kenntlich machte.

Die übrigen zwei Passagen aus indischen Schriften, die abgedruckt wurden, waren keine vedischen Hymnen, sondern zwei Abschnitte aus Katha Upanishad (s. Hume, 1931: 341 – 361) aus späterer Zeit (Church of Scientology World Wide, 1970: 8 – 10). Die Church beschrieb das angebliche Verbindungsglied zwischen indischer Philosophie und Scientology auch keinesfalls in präziser oder direkter Weise. Man fragt sich zum Beispiel, warum Hubbard keine Parallelen zieht zwischen “vergangenen Leben” in Scientology (Hubbard, 1969a) und Seelenwanderung in nachvedischen Schulen des Hinduismus (Zimmer, 1951: 252). Darüber hinaus irrt Hubbard in philosophischer und linguistischer Hinsicht, wenn er sagt, daß “wir das Wort Dharma fast austauschbar haben mit dem Wort Dhyana. Aber welches Wort man auch verwendet, es bedeutet Knowingness” (Hubbard, 1969b: 17; s. Hubbard, 1975: 112). Dharma hat im Sanskrit viele Bedeutungen, die im Hinduismus von “Gesetz” bis “Pflicht; Recht, Gerechtigkeit (oft als Synonym für Strafe)” und bis “das Gesetz der Doktrin des Buddhismus … (oder) die ethischen Gebote des Buddhismus” reichen (Monier- Williams, 1899: 510).

Es kann niemals dasselbe bedeuten wie dhyana: “Meditation, Denken, Reflexion, (bes.) tiefe und abstrakte religiöse Meditation” (Monier-Williams, 1899: 521). Dhyana kann nicht als “Knowingness and Lookingness (sic)” (etwa “Wissenheit” und “Schauung”) (Hubbard, 1969b: 17) in einem Sinne übersetzt werden, der der indischen Bedeutung entspricht, weil Scientology nicht die strengen physischen und geistigen Übungen fordert, denen sich Yogis und andere Suchende unterziehen. Diese Sanskritausdrücke spiegeln vielmehr grundlegende Konzepte sowohl des Hinduismus als auch des Buddhismus wider, und Hubbard kann mit seiner eigenwilligen Übersetzung nicht nachweisen, daß Scientology in die Fußstapfen dieser Traditionen tritt. Eine weniger kritische Sicht Ich muß jedoch darauf hinweisen, daß nicht alle Forscher meine skeptische Einstellung zu den Vergleichen zwischen Scientology und meditativem Hinduismus teilen.

Roy Wallis z.B. führt aus: “Im Yoga zeigt sich deutlich eine Anzahl von Parallelen mit Scientology. Yoga bietet ein System metaphysischen Wissens, das zu einer ‘Wiedergeburt in eine nicht bedingte Weise des Seins’ führt. Das Ziel der frühesten Yoga- Philosophie, samkhya, war es, den Geist von der Materie zu trennen. In Yoga ist die Welt wirklich, nicht illusorisch, aber ihre Dauerhaftigkeit ist die Folge der Ignoranz des Geistes … Als Ursache des Leidens der Seele gilt des Menschen Solidarität mit dem Kosmos, seine Teilhabe an der Natur (die Enturbulation von Theta und MEST), also was Scientology das physische Universum von Materie, Energie, Zeit und Raum nennt (Hubbard, 1975: 248) (Wallis, 1976: 112 als Zitat aus Eliade, 1969: 4. Nach dieser Zusammenfassung von Mircea Eliades Beschreibung von Yoga kommt Wallis zu dem Schluß, daß “eindrucksvolle Ähnlichkeiten mit der Theorie und Praxis von Scientology zu finden” seien (Wallis, 1976: 113).

Er weist auch darauf hin, daß sowohl Buddha als auch Hubbard ihre jeweiligen Anhänger davor gewarnt hätten, sich auf irgendwelche okkulten Kräfte einzulassen, die auf ihrem Weg auftreten könnten (Wallis, 1976: 112 – 133 & Anm. 1). Übrigens behauptet selbst Jon Atack, der zu den aufmerksamsten Kritikern von Scientology gehört, daß die TRs (Training Routines) im Kommunikationskurs der Scientology “meditationsähnlich” seien (Atack, 1990: 14). Die von Wallis erwähnte klassische Samkhya-Philosophie findet ihren deutlichsten Ausdruck im Samkhyakarika (ab jetzt: S.K.) von Ishvarakrishna aus der Zeit zwischen vor 557 und 569 (Larson, 1969: 4-5), obwohl frühere Fassungen von Samkhya hinter den asketischen Yoga-Praktiken des Mit viel Phantasie und einer großen Schreibmaschine brachte Hubbard auch seine Wildwest- und Horrorstories zu Papier. Foto: Archiv Gandow Yoga Sutras von Patanñjali stehen (s. z. B. Kent, 1982: 264), die “irgendwann im vierten oder fünften Jahrhundert unserer Zeitrechnung geschrieben” worden sind (Woods, 1914: XIX; s. Larson, 1969: 162). Das Samkhya-System beruht auf der Annahme, daß zwei ewige Prinzipien existieren, prakrti (Materie) und purusha (Geist), und daß sich Erschaffung zutrage, wenn die inhärenten schöpferischen Eigenschaften der Materie aufgrund der Nähe eines Geistes aktiv würden, ähnlich einer Tänzerin, die mit ihrer Darbietung beginnt, wenn sie Zuschauer hat (S.K. LIX, in Larson, 1969: 278).

Wallis weist zwar zu Recht darauf hin, daß im Samkhya-Yoga der Begriff der Erlösung die Entflechtung von Geist und Materie einschließt, er hätte aber auch weitere Vorstellungen erwähnen können, die Ähnlichkeiten mit gewissen Aspekten des scientologischen religiösen Denkens aufweisen. Zum Beispiel betonen beide Systeme, daß Leben Leiden einschließe, Leiden, für das ihre Ideologien Erlösung zu bieten beanspruchen (S.K. I, in Larson, 1969: 257). In dem indisch-philosophischen System ist purusha Plural (S.K. XVIII, in Larson, 1969: 264; s. Kent, 1980: 243), genau wie thetans. Ebenso nehmen Scientology und SamkhyaYoga Formen der Wiedergeburt als gegeben an (S.K. XXXIX und XL, in Larson, 1969: 272, s. 218). Vor dieser Wiedergeburt vergessen die in einen anderen Körper übergehenden Wesen alles über ihr voriges Leben.4 Es bestehen jedoch auch unüberbrückbare Gegensätze zwischen den beiden Systemen. Samkhya beruht auf der Voraussetzung, daß Geist und Materie getrennte Einzelwesen seien, während Hubbard behauptet, daß seine spirituellen Wesen (Thetanen) ihre eigenen idealen Universen schüfen (die er “Heimat-Universen” nennt), die ihrerseits in einem MEST-Universum aufgingen.

“Also ist der Geist kein Ding. Er ist der Schöpfer der Dinge”, wie Hubbard kurz und bündig 1956 feststellte (Hubbard, 1956: 54). Das Samkhya Karika besagt jedoch eindeutig, daß “purusha weder geschaffen noch schöpferisch” sei (S.K. III, In Larson, 1969: 258). Darüber hinaus findet das Beharren des Yoga darauf, daß Purusha “die Beschränkung der Schwankungen des Gedankenstoffes” sei (Y. S. I.2, in Woods, 1914: xxxx) keine Entsprechung in Scientology, deren analytischer Mind keine Beachtung findet in Hinsicht auf die Beschränkungen seiner Wahrnehmungsaktivitäten. Hubbards Kenntnis des Hinduismus scheint also oberflächlich gewesen zu sein. Taoismus Ähnliche Oberflächlichkeit zeigt sich in Hubbards Beharren darauf, daß auch der zentrale Begriff des Taoismus, tao, “Knowingness” (etw: “Wissenheit”) bedeute und daß das wiederum eine “wörtliche Übersetzung” sei (Hubbard, 1969b: 16), wo doch tatsächlich die wörtliche Übersetzung “Pfad, Straße, Weg, im übertragenen Sinn Prinzip; System, Wahrheit; Wirklichkeit usw.” ist (Chan, 1963: 136 Anm. 1).

Schließlich versteht man nur schwer, wie Hubbard “Selbst- Determinismus” als gleichbedeutend mit dem taoistischen Hauptbegriff wu-wei ansehen kann, wo dieser doch zu übersetzen ist als “Nicht- Tat” im Sinne von “nichts tun, was der Natur entgegensteht – mit anderen Worten: der Natur ihren Lauf lassen” (Chan, 1963: 136). Es gibt keine erkennbaren Ähnlichkeiten zwischen den grundlegenden taoistischen Begriffen, die Hubbard sich heraussuchte, und seiner Darstellung des von ihm als “MEST-Universum” Bezeichneten in Scientology. Daher irrt auch eine von Hubbards Organisationen, die Church of Scientology of California, bei ihrer Werbebehauptung, “ein Scientologe ist Geschwisterkind des Buddhisten (und) ein entfernter Verwandter des Taoisten …” (Church of Scientology of California, 1978:7)

Hinayana-Buddhismus.

Diese Behauptung deutet darauf hin, daß Hubbards Versuche, seine Ideologie mit dem Buddhismus in Verbindung zu bringen, von beachtlicher Bedeutung für seine Bemühungen waren, religiöse Aspekte von Scientology zu beweisen. Er versuchte diese Verbindungen mit begrifflichen und persönlichen Gründen zu beweisen. Auf dem Feld der Begriffe versuchte er, einen bodhi (sattva) und einen Dianetic Release (“dianetisch Befreiten”) gleichzusetzen. Mit einer mehr als simplen Kenntnis des Buddhismus behauptet Hubbard: “Zunächst einmal wird dieser Buddha tatsächlich Bohdi (sic: bodhi) genannt, und ein Bohdi ist einer, der durch menschliche Mittel intellektuelle und ethische Perfektion erreicht hat. Das wäre wohl auch ein Dianetic Release (Dianetic Release: Einer, der durch Dianetic Auditing gute Fallgewinne und Stabilität erreicht hat und das Leben besser genießen kann. Solch ein Mensch ist keyed out oder, anders ausgedrückt, befreit von den Stimulus-Reaktions-Mechanismen des reaktiven Geistes) oder etwas auf dieser Ebene. Ich habe noch von einer anderen Ebene gehört – Arhat, mit der ich aber nicht besonders vertraut bin, sie soll eher mit unserer Vorstellung des Theta Clear vergleichbar sein.” (Hubbard, 1969b: 18, Hervorhebungen im Original).

Scientologen nehmen diese Behauptungen tatsächlich ernst. Schon 1958 stellte der “Herausgeber” der Scientology-Zeitschrift Ability, dessen Schreibstil auf Hubbard selbst hindeutet, folgende Überlegungen an: “Jetzt reicht es zu sagen, daß der Zustand des Clear schon vor 2500 Jahren von Gautama Siddharta gedacht, von sehr wenigen erreicht und dann nicht mehr gesehen wurde. Dieser Zustand war unter dem Namen -Bhodi’ bekannt, weil er unter einem bhodi(sic)-Baum erreicht wurde. Aber diese Tradition hat sich verflüchtigt. Der Mensch hat sich bemüht, den Menschen clear zu machen, zunächst von Dämonen, dann von unterbewußten Traumata. Ron hat die Sache ganz neu gesehen und einen Zustand in Clear hervorgebracht, der höher als der von Gautama Siddharta ins Auge gefaßte ist, da er nicht erst in einem ganzen Leben, sondern in einigen wenigen Wochen erreicht wird und für alle Menschen erreichbar ist, nicht nur für einige … Der Status des Operierenden Thetan war bisher auf Erden nicht bekannt. Weder Lord Buddha noch Jesus Christus waren nach den vorliegenden Beweisen O.T.s. Sie standen nur einen Hauch über dem Clear. (Hubbard , 1958: 6)

Offensichtlich sah “der Herausgeber” Scientology als ein System an, das die Errungenschaften der buddhistischen Tradition tatsächlich übertrifft und nicht nur ausweitet.

Ein Wissenschaftler akzeptiert Buddhismus-Analogie

Mindesten ein Forscher hat die von Scientology selbst verkündeten Analogien zum Buddhismus akzeptiert. Frank Flinn argumentiert, es sei “der zentrale Scientology- Begriff -clear’ ungefähr gleichbedeutend mit der buddhistischen Idee des bodhi, die -den Wachenden’ oder -Erleuchteten’ bezeichnet, der Releasement (sic) (moksa) von den verschlungenen Banden von Existenz und Illusion erworben” habe (Flinn, 1983: 93). Er geht tatsächlich so weit zu sagen, daß “die vielen Ebenen und Grade des Auditing als Verfeinerung und Wiederbekundung des Achtfachen Weges des Buddhismus im Weltraumzeitalter angesehen” werden könnten (Flinn, 1983: 93). Diese Ähnlichkeiten bleiben jedoch oberflächlich, und selbst Flinn bemerkt, daß es in Scientology “keine Betonung der Meditation und Kontemplation” (Flinn, 1983: 94) gebe, wie sie im Mittelpunkt buddhistischer Praxis und buddhistischer spiritueller Errungenschaften steht.

Das System der Scientology soll durch Aufhebung der Wirkungen traumatischer Erlebnisse (oder Engramme) wirken, während der traditionelle Buddhismus versichert, daß sein spirituelles Ziel durch eine Kombination von moralischer Disziplin mit Methoden der Konzentration erreicht werden könne. Klein-Hubbard und die Buddhisten. Originalbildunterschrift: “Weit in den Bergen Westchinas, besuchte Ron die Lamaklöster. Dort sprach er mit Mönchen und schloß Freundschaft mit ihnen und dem Volk”. Fundstelle: What is Scientology, 2. Auflage 1979 S. xli; Archiv Gandow

Moral und Askese in Buddhismus und in Scientology

Moralische Disziplin bedeutet, daß ein praktizierender Buddhist Wissen oder Einsicht seinem ” wie Edward Conze sagt, “widerwilligen Körper” aufdrückt (Conze, 1951: 96), was die Befreiung “von den Illusionen der Individualität” (Conze, 1951: 97) einschließt. Im wesentlichen leben buddhistische Mönche, die nach traditioneller Ansicht auf dem Pfad zur Erleuchtung am weitesten fortgeschritten sind, asketisch unter Verzicht auf Schlaf, Bequemlichkeit, Nahrung und Besitz. Scientology aber hat keine formalisierte oder systematisierte asketische Tradition – trotz der Tatsache, daß einige von Hubbard über seine Anhänger verhängten Strafen äußerst anspruchsvoll (Atack, 1990: 175 – 176, 180 – 181) und einige Lebensbedingungen überaus rauh (Atack, 1990: 275 – 277) waren.

Scientologys Anordnungen zur Bestrafung von Nonkonformität scheinen höchst dramatisch mit den buddhistischen klösterlichen Strafen zu kontrastieren, die Hubbard selbst dagegen als “die direkten Vorläufer unseres eigenen Ethik-Systems” (Hubbard, 1966: 459) unter die Leute zu bringen suchte. Vergehen, die im Buddhismus zur Bestrafung führten, waren solche, die “nicht nur als unvereinbar mit dem moralischen Wohlbefinden der Gemeinschaft der Mönche, sondern auch als hinderlich für den spirituellen Fortschritt des Mönchs, der der moralischen Schlechtigkeit erliegt”, galten (Perera, 1965: 460). Die frühen buddhistischen Strafen beschränkten sich auf sofortigen Ausschluß, zeitweiligen Ausschluß und Bewährung, Verweis, Versetzung an einen anderen Ort, Widerruf und Bitte um Verzeihung bei dem Gekränkten, totale Isolierung und Unter-Aufsicht-Stellen. Viele dieser Strafen erinnern an die Strafen in Scientology, was wohl dadurch erklärt werden kann, daß sie normale Reaktionen ideologischer Gruppen auf Abweichungen von der Lehre sind.

Nirgends in diesen buddhistischen Regeln gibt es jedoch irgendetwas wie die Forderung in der gruppeneigenen Ethik, daß eine Person, die aus der “condition of liability” (etwa: Bedingung der Haftbarkeit) herauskommen will, dies tun kann, indem sie “einen wirksamen Schlag gegen die Feinde der Gruppe, deren Teil man zu sein vorgab, zu führen (hat) trotz persönlicher Gefährdung” (Hubbard, 1967a: 237). Die buddhistischen Regeln enthalten auch nichts, was Scientologys berüchtigtem “Freiwild-Gesetz” entspräche, das formell von Mitte Oktober 1967 an ein Jahr lang gültig war und das besagte, daß ein Feind mit allen Mitteln und von jedem Scientologen “seines Eigentums beraubt oder verletzt” werden dürfe “ohne Strafe für den Scientologen. Darf hereingelegt, verklagt oder belogen oder zerstört werden” (Hubbard, 1967b)5.

Die buddhistische Morallehre bildete das Fundament für buddhistische Konzentrationsübungen – Übungen, die gelegentlich oberflächliche Gegenstücke in Scientology haben. Insbesondere Konzentration bestand aus drei Typen von Vorgehensweisen dhyanas, d. h. Fortschreiten durch verschiedene Geisteszustände (s. Ling, 1981: 115), apramana, d. h. “Methode, die Gefühle zu kultivieren” (Conze, 1951: 102) und die Kultivierung okkulter Fähigkeiten (Conze, 1951: 100 – 105). Während Kontemplationsübungen dieser Art bei Scientology keine Rolle spielen, könnte man doch versucht sein, oberflächliche Ähnlichkeiten zwischen den ersten von mindestens vier dhyanas und den ersten drei TRs (Training Routines) in Scientologys Kommunikationskurs zu sehen. Das Anfangs-dhyana beinhaltet u. a. die zeitweilige Unterdrückung der “ungesunden Bestrebungen – d. h. Sinn- Begehren, Übelwollen, Trägheit und Lethargie, Aufregung u. Gemütsunruhe” (Conze, 1951: 100; s. Conze <Übers.>, 1959: 184).

TR-0 Bullbaiting, die Trainingsroutine “Stierhetze” dient zur Einübung von Kommunikationsverweigerung. Fundstelle der Illustration: Kurs “Hubbard(R) Qualifizierter Scientologe”, Kopenhagen 1989; Archiv Gandow Zwei TRs bestehen aus stundenlangem Sitzen oder Sitzen und Starren ohne jede Bewegung, während die TR über “bullbaiting” (eigentlich: Stierhetze) darin besteht, ruhig zu bleiben inmitten von Beleidigungen, Witzen oder anderen Provokationen (s. Atack, 1990: 14). Vielleicht lehren diese Übungen eine ansatzweise Kontrolle über Aspekte des Geistes und Körpers, aber sie sind weder dazu bestimmt, als “Mittel zum Transzendieren des Ansturms sensorischer Stimuli und unserer normalen Reaktionen darauf” (Conze, 1951: 100) zu dienen, noch werden sie dazu verwendet. Statt dessen ist der Sinn der TRs (und wahrscheinlich der “Stierhetze”), “Studenten für die Auseinandersetzung mit -preclears’ auszubilden (ohne) soziale Winkelzüge der Konversation und zur Überwindung von Zwangsdruck, um -interessant’ zu sein” (Church of Scientology, 1961, auch zitiert in Lamont, 1986: 40).

Mit anderen Worten: Die TRs sollen dazu dienen, Persönlichkeitsfaktoren auszuschalten, die normalerweise persönliche Eigenart im sozialen Umgang ausdrücken. Sie werden zum ersten Schritt auf dem Weg zur Bildung von Konformität unter Neugewonnenen. Hier ist der Platz, ein paar Worte über die Konzentrationsübungen in der HinayanaTradition sagen, die okkulte Fähigkeiten (siddhis) wie z. B. “Hellsehen, Hellhören, Erinnerung an frühere Geburten und Kenntnis der Gedanken anderer” (Conze, 1951: 104) einschließen. Weitere okkulte Fähigkeiten sollen sein: die Fähigkeit, “nach Belieben Mauern, Zäune oder Berge zu durchschreiten wie Luft, die feste Erde zu betreten und zu verlassen, auf dem Wasser zu gehen oder durch die Luft zu gleiten” (zitiert in Conze, 1951: 104). Diese vorgeblichen Fähigkeiten ähneln den von Hubbard behaupteten Fähigkeiten eines “Clear”, der “nach Belieben alles im Universum haben oder lassen kann” (Hubbard, 1975: 75 mit Bezug auf eine Vorlesung von 1954). Der Buddha fürchtete jedoch, daß diese psychischen Fähigkeiten Jünger dazu bringen könnte, ihr höchstes Ziel (Nirvana) aus den Augen zu verlieren, und es wird berichtet, er habe dies verkündet, “weil ich Gefahr sehe in der Ausübung mystischer Wunder (d. h. -psychischer Kräfte’), die ich verabscheue, vor denen ich mich ekele und deren ich mich schäme” (Dighanikaya I, 213, zitiert in Ling, 1981: 111).

Hubbard als Buddha

Hubbards dreistester Versuch, Scientology zu legitimieren, nämlich dadurch, daß er sich selbst mit Buddhismus in Verbindung bringt, erscheint in seiner Publikation von 1974 The Hymn of Asia (1974a), die er schon einige Jahre früher, 1956, geschrieben hat Er läßt deutlich durchblicken, daß er Mai- treya oder Metteya sei, der zukünftige Buddha, von dem der Buddha selbst angeblich gesprochen hat. Die “Herausgeber” des Bandes, möglicherweise Hubbard selbst, stellen die folgenden fünf Behauptungen über die “Metteya-Legende” auf:

1. Er soll im Westen erscheinen.

2. Er soll zu einer Zeit erscheinen, da die Religion im Schwinden begriffen und die Welt gefährdet ist und in Zuckungen des Aufruhrs liegt.

3. Er wird goldenes oder rotes Haar haben.

4. Er wird das Werk Gautama Buddhas vollenden und ein neues goldenes Zeitalter der Menschen dadurch herbeiführen, daß er allen Wesen den Erwerb spiritueller Freiheit ermöglicht.

5. Obgleich das Datum seiner Ankunft unterschiedlich vorausgesagt wird, gibt das nächste Datum sie für 2500 Jahre nach Gautama Buddha an – also ungefähr 1950 (Herausgeber in Hubbard, 1974a: ).

In Hubbards Text wird auf mehrere dieser Punkte eingegangen. In der ersten Zeile seiner breiten poetischen Hymne fragt Hubbard: “Bin ich Metteyya?” (sic). Dem folgt sogleich die Behauptung: Ich komme, “euch alles zu bringen, was Lord Buddha euch wissen lassen möchte über Leben, Erde und Mensch”7. Hubbard macht einen fundamentalen Fehler in buddhistischer Soteriologie, wenn er verkündet:

“Was ich sage, hat zu tun mit Selbst”.

Entsprechend dem Anfangskommentar der “Herausgeber” stellt er die rhetorische Frage “Habe ich goldenes Haar?” und lenkt damit die Aufmerksamkeit darauf, daß seine Haare rot waren. Im Rückgriff auf scientologische Standardthemen gemäß den Kommentaren der “Herausgeber” verkündet er: “Wir können den Verbrecher gesetzmäßig machen (.) Wir können den Irren vernünftig machen (.) Wir können selbst frei sein”. Er spricht aus, daß “wir” “die Neuen Menschen (,) die neuen spirituellen Führer der Erde” seien und “Orte zum Gebrauch der Menschen, Nur fordernd, Daß sie sich Vor Buddha beugen”, bauen sollten. Schließlich behauptet er, daß er erscheinen mußte in der “westlichen Welt … Wegen der Unordnung im Osten seit Vaishakha 2453 (buddhistisches Datum entsprechend Februar 1910)”. Wenn es noch Zweifel daran gibt, daß Hubbard sich selbst zum Maitreya erklärt, zerstreut er sie mit der Feststellung: “Sogar eure eigenen Jahrhunderte Alten Prophezeiungen Sagten, ich würde In der Westlichen Welt erscheinen. Ich erschien” (Hubbard, 1974a: -keine Seitenzählung’, Großbuchstaben entsprechend dem Original)8. Glücklicherweise liegt des Buddhas angebliche Äußerung über Maitreya in englischer Übersetzung vor, lag auch schon vor, als Hubbard seine Identität mit der buddhistischen religiösen Legende andeutete. Fast keine der Eigenschaften, die er (oder seine “Herausgeber”) der Gestalt zuschreiben, trifft zu.

Die übersetzten Teile erwähnen nichts davon, daß Maitreya im Westen erscheinen werde, sie sagen auch nichts davon, daß der Buddha der Zukunft in einer Zeit der Gefährdung der Welt erscheinen werde. Im Gegenteil, in den Texten wird behauptet, daß Maitreya (wie der Buddha selbst) aus königlichem Hause stammen und einer Stadt vorstehen werde, die “mächtig und wohlhabend, reich an Menschen, zusammengedrängt und wohlgenährt” sei (Cakkavatti-Sihanada Suttanta 75.25-26; übersetzt in Rhys- Davids, 1921: 73) Nichts wird davon gesagt, daß er goldenes oder rotes Haar habe, es wird auch kein Datum für seine Wiederkunft angegeben (RhysDavids, 1921: 73 – 74). Ebensowenig erwähnt das Maitreyavyakarana die Eigenschaften des Maitreya, auf die Hubbard oder die Editoren hinweisen, und eine Passage widerspricht ihnen ausdrücklich. Sowohl Hubbard als auch die “Herausgeber” betonen die Prophezeiung, daß Maitreya goldenes oder rotes Haar habe, aber in der Schrift selbst wird die Haarfarbe gar nicht erwähnt, es heißt nur, daß Maitreyas “Haut eine goldene Tönung haben” (Conze, 1959: 239) und daß er “die zweiunddreißig Merkmale eines Übermenschen” (Conze, 1959: 239) haben werde. Diese Kennzeichen sollen angeblich “einen großen Menschen charakterisieren; oder, passender, einen -Übermenschen’” (Ling, 1981: 136).

Im originalen buddhistischen Text heißt es, daß ein (von mir schon erwähntes) Kennzeichen Haut oder Teint “wie Bronze, die Farbe von Gold” (Lakkhana Suttanta 143, übersetzt in RhysDavids, 1921 138) sei. Die Passage bezieht sich eindeutig nicht auf Haare, zumal ein anderes Charakteristikum “Flaum (d. h. sehr weiches Haar) auf eines Übermenschen Körper, (der) sich aufwärts wendet, jedes einzelne Haar davon schwarzblau in der Farbe wie Augentusche, in kleinen lockigen Ringen, nach rechts gelockt” (Lakkhana Suttanta 144, übersetzt in Rhys-Davids, 1921: 138 ) sei. Maitreyas Haar wäre also schwarzlockig, nicht rot. Aus einem Interview, das ich mit einem früheren Scientologen führte, der während der Entstehungszeit von The Hymn of Asia mit Hubbard zusammenarbeitete, ergibt sich, daß Hubbards Motiv rein opportunistisch war.

Mein Informant wies mich darauf hin, daß zwei in spiritueller Literatur sehr belesene ältere Damen an Hubbard schrieben und ihn fragten, ob er Ähnlichkeiten zwischen sich selbst und Maitreya Buddha sehe. Von dieser Frage inspiriert, schrieb er die Hymne auf einem College-Block nieder. Ursprünglich hieß es in der ersten Zeile des Gedichts “Ich bin Maitreya”, aber Hubbard machte, bevor er es an den Verleger sandte, daraus eine Frage: “Bin ich Maitreya?” (Kent, Interview with Durston, 1992: 5 – 9). Es gibt keinen Hinweis darauf, daß er – außer dem Brief der Bewunderinnen – irgend- welche Nachforschungen über Buddhismus oder die Maitreya-Berichte angestellt hätte, bevor er das Selbstverherrlichungs- Gedicht schrieb. Selbst, Thetan und anatta Schließlich bedarf ein bezeichnender theo- logischer Unterschied zwischen Scientology und Buddhismus eines Kommentars – ein Unterschied, den Hubbard offensichtlich nicht bemerkt hat, als er in der Hymn of Asia schrieb: “Was ich sage, hat zu tun mit Selbst” (Hubbard, 1974a). Dies ist eine unmißverständliche Anspielung auf den Thetan, der in Scientology als eine unsterbliche Seele oder Geist gilt (s. Hubbard, 1975: 432 ; Church of California, 1978: 4, 6).

In der buddhistischen Philosophie jedoch ist die Doktrin der Nicht-Seele (anatta, Pali; anatma Sanskrit) grundlegend, diese Doktrin setzt den Buddhismus ab “von allen anderen Religionen und philosophischen Schulen des alten Indien. Ohne genaues Verständnis der Bedeutung von anatta kann man buddhistisches Denken nicht begreifen” (Ling, 1981: 17; s. Atack, 1990: 374). Der Buddha selbst hat, wie berichtet wird, einen seiner Anhänger getadelt, weil dieser sich auf die Debatte um die Existenz einer Seele einlassen wollte, statt dessen sollte er der emotionalen Fluktuationen zusammen mit den Prozessen des Fühlens, Denkens und der Begriffsbildung eingedenk bleiben. Lehren vom Vorhandensein einer Seele hülfen nicht bei den Bemühungen, das Nirvana zu erreichen, deshalb fragte der Buddha gereizt den Jünger: “Ich habe dir offenbart, was offenbart werden soll; soll ich dir auch noch offenbaren, was nicht offenbart werden soll?” (Pasadika Suttanta 39 <140 – 141> in Rhys- Davids, 1921: 130). Es gilt: “Alles, was einer Lehre von der Seele ähnelt, muß aufgegeben werden, bevor es Sicherheit geben kann, daß Befreiung von der Materie dauerhaft sein wird” (Kent, 1982: 271)9. Buddhismus als GPM Hubbards wahre Einstellung zum Buddhismus zeigt sich vielleicht in einem Communications Bulletin, das er am 6. April 1963 schrieb. Es war bestimmt für höherrangige Mitglieder von Scientology, also nicht für die Öffentlichkeit.

Darin spricht er geringschätzig über das buddhistische Heil, indem er Nirvana gleichsetzt mit der von ihm so genannten “goals-problem-mass” (etwa: Ziele- Problem-Masse) () – dem von widerstreitenden Zielen verursachten Druck. Er stellt das Scheitern des Nirvana der großartigen Natur des scientologischen Clear gegenüber: “Die Buddhisten sprachen vom Nirvana. Ohne es zu wissen, sprachen sie davon, auf ewig in das GPM (Nirvana) zu verschwinden. Sie waren der Sache nicht gewachsen, ihnen fehlten (E-)Meter und eine Landkarte. Wir sind Scientologen. Wir fallen nicht in den Abgrund. Wir gehen auch nicht ins Nirvana ein. Wir haben (E-)Meter und eine Landkarte. Wir kennen die Regeln und den Weg. Dies ist das größte Abenteuer aller Zeiten. Clear-Werden. Am Wege liegen die Gerippe und Schädel derer, die es in den letzten Trillenien (sic) versucht haben. Der Boden des Abgrunds ist überdeckt mit Versagern.

Nirvana erstickt an denen, die der Sache nicht gewachsen waren … Nur die Kleinmütigen liefern dem Abgrund Knochen oder dem Nirvana Apathie. Wir sind Scientologen. Wir haben gewonnen.” (Hubbard, 1963: 3) Hubbard scheint zu meinen, daß das Streben der Buddhisten nach dem Nirvana für sie einfach zu viel war und sie in die Leere (“den Abyss” ” d.h. “Abgrund”) oder in Apathie fielen. Das Clear-Werden der Scientologen sei jedoch das größte Ziel der Menschheit, das man durch Befolgung der Techniken der Organisation (der “Landkarte”) zusammen mit der Arbeit am E-Meter erreichen könne. Das buddhistische Streben nach dem Nirvana war also nichts als ein Weg zum Scheitern. Grundlose Behauptungen Aus all dem müssen wir schließen, daß Hubbard nur ein rudimentäres – und weitgehend ungenaues – Verständnis größerer östlicher Religionstraditionen hatte – Traditionen, deren Ähnlichkeit mit dem von ihm konstruierten Glauben er nichtsdestoweniger behauptete. Sein von ihm selbst verkündetes Einssein mit dem buddhistischen Maitreya zum Beispiel scheint sein Bemühen zu zeigen, sein Ansehen bei seinen Anhängern zu steigern wie auch den Glaubenslehren seiner Organisation dadurch größeres Ansehen zu verleihen, daß er sie mit einer größeren religiösen Tradition in Verbindung brachte.

Ungeachtet oberflächlicher Ähnlichkeiten zwischen Scientology und dem Hinayana- Buddhismus, die Hubbard vielleicht veranlaßt haben, Scheinverbindungen zwischen den beiden Glaubenssystemen herzustellen, hat er vielleicht deswegen über östliche Glaubenslehren geschrieben, weil er annehmen konnte, daß seine westlichen Anhänger kein ausreichendes Wissen auf diesem Gebiet haben und folglich seine Behauptungen nicht richtig einschätzen können.

Anmerkungen

1. Es könnte sein, daß die Christian Science (Christliche Wissenschaft) Hubbard in geringem Maße beeinflußt hat, denn frühere Mitglieder berichten, er habe diese Religion in mindestens einem seiner Vorträge erwähnt. Außerdem heißt es im Church of Scientology Information Service (1974: 43), daß “Scientology heute in vorderster Reihe der Avantgarde modernen religiösen Denkens steht (bemerkenswerterweise einschließlich der verstorbenen Mary Baker Eddy, die ihre -Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift’ als Christliche WISSENSCHAFT verbreitete), das Vernunft, Beständigkeit und Erfolgsverläßlichkeit in das Reich religiöser Erfahrung einzubringen sucht”. Jedoch war der Einfluß dieser früheren Tradition auf Hubbard wenn überhaupt, geringfügig – abgesehen von dem Glauben, daß mentale Zustände physische Krankheiten verursachen.

2. The Phoenix Lectures wurden zwar erst 1969 veröffentlicht, Hubbard hatte diese Vorträge aber bereits im Juli 1954 gehalten (s. Titelblatt von Hubbard, 1969).

3. Definitionen im Dianetics und Scientology Technical Dictionary beziehen sich auf die Quellen von Begriffen, und Erklärungen spezifischer Tonbanddaten erschienen in Church of Scientology of California, 1978: 287.

4. Ein gewaltsamer Vergleich des Begriffes “mind” in beiden Systemen zeigt, daß es sich um ein dreifaches Wesen handelt – wobei Scientologys analytischer, reaktiver und somatischer “mind” oberflächlich den drei Qualitäten im Samkhya ähnelt, die Erkenntnis, Wahrnehmung und alle Schöpfung ausmachen (sattva, Reinheit oder Gutsein; rajas, Leuchten oder Leidenschaft; und tamas, Dunkelheit oder Verblendung). Der Versuch, solch eine Parallele zwischen den beiden Begriffen von Geist zu ziehen, geht jedoch weit darüber hinaus, was sowohl Hubbards als auch das Samkhya-System wirklich beabsichtigen.

5. Der Wortlaut von Hubbards “Aufhebung von Freiwild” deutet darauf hin, daß er die Fortsetzung der Feindseligkeiten gegen Feinde wünschte. Die aus vier Sätzen bestehende Aufhebung lautet: “Die Gepflogenheit, Menschen zu Freiwild zu erklären, hört auf. FREIWILD darf in keiner Ethik- Anordnung erscheinen. Es verursacht schlechte Beziehungen zur Außenwelt. Dieser P/L (Policy Letter) widerruft keine Taktik der Behandlung oder des Vorgehens gegen eine SP (Suppressive Person – jemand, der Scientology zu schaden sucht)” (Hubbard, 1968; s. 1975: 415). Natürlich gehen auch die Kritiker der Organisation davon aus, daß die Vergeltungspraktiken, die in der ursprünglichen Direktive empfohlen wurden, weiterhin gelten (s. Atack, 1990: 331, 341- 342. 356-357).

6. In der Einleitung zu The Hymn of Asia (1974a: ohne Seitenzählung) wird gesagt: “Diese bewegende Hymne wurde für eine buddhistische Versammlung etwa 1955 oder 1956 geschrieben, also zur Zeit der Feiern der buddhistischen Welt zum 2500sten Jahr der buddhistischen Ära”. Am 24. Mai 1956 feierten Buddhisten den 2500sten Jahrestag des Todes von Gautama Buddha (The Times, London, 1956), der seine Erlösung vom Rad des Leidens und der Wiedergeburt bezeichnet. Am 6. November desselben Jahres veranstalteten internationale Forscher eine Konferenz und Kunstausstellung in Delhi (The Times -London’ 1956). Wahrscheinlich schrieb Hubbard The Hymn of Asia in diesem bedeutsamen Jahr.

7. Das Original enthält sehr kurze Verszeilen, in diesem und in anderen Zitaten habe ich sie zu Prosa zusammengefaßt und die notwendigen Satzzeichen in Klammern hinzugefügt. Hubbards willkürliche Großschreibung, die einem vorkommt wie in der Lotterie gezogen, habe ich nicht verändert.

8. Ich bin zwar nicht in der Lage, dieses Jahr in sein westliches Gegenstück zu übersetzen, aber Hubbard scheint den Monat falsch anzugeben. Vaishakha ist der Name eines Monats nach dem asiatischen Mondjahr, der mit April und Mai zusammenfällt. Magha ist der lunare Monat, der mit Januar und Februar zusammenfällt (Basham, 1954: 492).

9. Einer von Scientologys Unterstützern zeigt ein dramatisches Mißverständnis für Buddhismus, wenn er schreibt: “Buddhistisches Denken, das von Millionen im Westen akzeptiert wird, gipfelt in der Aussage “Der Thetan ist die Person. Du bist in einem Körper” (Oosthuizen, 1976: 4).

Dr. Stephen A. Kent, 45, ist außerordentlicher Professor an der soziologischen Fakultät der University of Alberta , Kanada. Derzeit arbeitet er hauptsächlich über nicht-traditionelle und alternative Religionen. Zuschriften an: Department of Sociology, University of Alberta , Edmonton , Alberta , Canada T6C 2H4.